Kinder und Jugendliche in einem Cattle Camp bei Rubkona, Südsudan.

Der Südsudan, jüngstes Land der Welt, wird seit vier Jahren von Überschwemmungen heimgesucht – mit verheerenden Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Im nördlichen Bundesstaat Unity zum Beispiel, mussten über 40 % der Menschen aus ihren Dörfern flüchten. Die Überschwemmungen haben zudem erhebliche Auswirkungen auf die Viehzucht: Hunderttausende von Tieren sind in den letzten Jahren verendet und die Viehzüchter*innen sahen sich gezwungen, mit den verbliebenen Tieren in abgelegene Gebiete mit nur begrenzten Weideflächen zu ziehen. Die Schwierigkeiten in der Viehzucht und im Ackerbau haben zu einer prekären Ernährungssituation geführt, die das Leben der Menschen akut gefährdet.  

In meiner Funktion als VSF-Suisse Programmverantwortliche für den Südsudan reiste ich im vergangenen Februar ins Land, um unsere Projekte zu besuchen und die Auswirkungen der Überschwemmungen auf die Viehzucht und die Tiergesundheitsdienste in der Region aus erster Hand zu beurteilen. Nach der Landung in der Hauptstadt Juba und einem kurzen Besuch in unserem Landesbüro bestieg ich ein Flugzeug der Vereinten Nationen, das mich in die abgelegene Stadt Rubkona im Bundesstaat Unity brachte.  

Die Überschwemmungen haben Häuser und Infrastruktur zerstört.

Trotz der vielen Herausforderungen, mit denen die Menschen in diesem Teil des Landes konfrontiert sind – von Naturkatastrophen und vom Menschen verursachten Krisen bis hin zum Mangel an grundlegender Infrastruktur wie befestigten Strassen, Internet und Wohnraum – sind mir die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften und die positiven Veränderungen, die sie mit ihrem Engagement bewirken, am stärksten in Erinnerung geblieben.  

Das Beispiel der Tiergesundheitshelfer*innen

Ein Beispiel dafür sind die Tiergesundheitshelfer*innen (Community Animal Health Workers CAHWs), die im Südsudan seit 1995 von VSF-Suisse ausgebildet werden und wichtige Tiergesundheitsdienste leisten. Diese Gruppen von CAHWs, zu denen auch Menschen ohne Lese- und Schreibkenntnisse gehören, sind während der aktuellen Überschwemmungen von entscheidender Bedeutung, da sie mit Impfungen und Entwurmungen den Schutz der meisten verbliebenen Nutztiere gewährleisten. Einige haben sogar ihre eigenen Apotheken eingerichtet, um die Viehhalter*innen mit Tierarzneimitteln zu versorgen. 

Allerdings stehen die CAHWs selbst vor mehreren Herausforderungen. Es fehlt ihnen an Schutzkleidung und anderer Ausrüstung, sie haben begrenzten Zugang zu Medikamenten und erhalten nur sporadisch Anreize für ihre Arbeit. Ausserdem gibt es eine hohe Absprungrate unter den sie ausbildenden technischen Betreuer*innen und es besteht ein ständiger Bedarf an weiteren Schulungen, der nicht immer abgedeckt werden kann. Einige strategisch günstig gelegene Apotheken wurden zudem geplündert und vor allem während des Bürgerkriegs von 2013-2018 zerstört. 

James Manyrob Thail beim Auffüllen der Regale seiner Apotheke.

Kurz nach meiner Ankunft in Rubkona sprach ich mit James Manyrob Thail, einem CAHW und Apothekenbesitzer, der Medikamente aus Juba bezieht und sie an andere CAHWs und Viehzüchter*innen verkauft. Er arbeitet zudem als Inspektor und kontrolliert in den fleischverarbeitenden Betrieben die Hygiene Standards. Die Kosten für diese Kontrollen werden von den Händlern und dem Ministerium für Tierressourcen gemeinsam getragen. Herr Manyrob führte mich zu einer Metzgerei am Ende der Strasse, wo ich den Besitzer, John Baliak, kennenlernte. Dieser kauft jeden Tag eine Kuh und eine Ziege auf der Auktion im Stadtzentrum. Sein grösstes Hindernis ist das Fehlen einer angemessenen Ausrüstung, einschliesslich eines Kühlschranks. 

Tiere bedeuten Lebensgrundlagen

Die Viehauktion auf dem zentralen Platz kurz vor dem Besucheransturm.

Die Viehauktion in Rubkona ist eine lebhafte und gut besuchte Veranstaltung. Die Händler erzählten mir, dass die Preise aufgrund des schlechten Zustands der Tiere gesunken seien, weil es wegen der Überschwemmungen an Weideflächen und Futter mangelt. Einige der Knaben aus dem Binnenvertriebenenlager haben sich eine kleine Einkommensquelle geschaffen, in dem sie in den überschwemmten Gebieten Grasbündel sammeln und sie nach der Schule auf der Auktion als Tierfutter verkaufen. 

James Gatyang Ruai in seiner Apotheke.

Später am Abend traf ich einen anderen CAHW und Apothekenbesitzer, James Gatyang Ruai, der normalerweise Tierarzneimittel aus Juba und manchmal beim nördlichen Nachbarn Sudan kauft. Da die wenigen Strassen nicht immer befahrbar sind, ist es manchmal unmöglich, genügend Nachschub zu bekommen. Herr Gatyang liebt Tiere und besass früher selbst Rinder, die jedoch alle starben. Die Arbeit als CAHW und Apotheker ermöglicht ihm eine dringend benötigte alternative Einkommensquelle für seine Familie. 

Besuch im Cattle Camp

Das Cattle Camp in der Nähe von Rubkona.

Am nächsten Morgen besuchten wir ein Cattle Camp, also eine Art Lager, wo nomadische Gemeinschaften mit ihren Rindern während der Trockenzeit verweilen. Nachts bleiben die Tiere dicht beieinander, tagsüber streifen sie durch die Gegend und grasen. In der Regel hüten die Knaben das Vieh, während die Mädchen das Melken, das Mahlen von Sorghum (einer Getreideart) und andere Arbeiten übernehmen. Das Lager hat mit vielen Problemen zu kämpfen, vor allem mit den Überschwemmungen, die die Bewegungsfreiheit einschränken, dem begrenzten Weideland und dem geringen Milchangebot, aber auch mit Problemen der Tiergesundheit wie dem Befall mit der Tse-Tse-Fliege, der CCPP-Krankheit und dem Leberegelbefall. Es werden dringend mehr Medikamente und Insektenschutzmittel benötigt, damit die verbleibenden Tiere überleben und ihre Gesundheit verbessert werden kann.  

Angelina Nyakama Jaw…

Genau das hat sich Angelina Nyakama Jaw, eine 30-jährige CAHW, die in einem Binnenvertriebenenlager in Rubkona lebt, zur Aufgabe gemacht. Sie erhielt ihre CAHW-Ausbildung 2014 und wird seither regelmässig von VSF-Suisse weitergebildet. Angelina kümmert sich um alle Nutztiere, bevorzugt aber Hühner, Schafe und Ziegen, die traditionell von Frauen gehalten werden. Sie ist überzeugt, dass sie besser mit diesen Tieren umgehen kann als ihre männlichen Kollegen. Gerne möchte Sie ihr Wissen durch weitere Schulungen und Auffrischungskurse erweitern. Wie alle CAHWs in der Region würde Angelina gerne noch mehr arbeiten. Allerdings wird dieser Wunsch durch die begrenzten Möglichkeiten der Hirtengemeinschaften, für ihre Dienste zu bezahlen, die geringe Verfügbarkeit von Medikamenten und die begrenzte Anzahl von Impf- und Behandlungskampagnen, die von humanitären Akteuren unterstützt werden, eingeschränkt. 

…beim Entwurmen von Kühen im Cattle Camp.

Nach ein paar intensiven Tagen mit vielen inspirierenden Begegnungen flog ich zurück nach Juba und später in die Schweiz. Ich erlebte ein Land, das noch immer mit den Nachwirkungen des Bürgerkriegs von 2013-2018 zu kämpfen hat. Ein Land, das unter mangelnder Infrastruktur und politischer Ungewissheit leidet. Ein Land, das von Überschwemmungen und all ihren verheerenden Auswirkungen auf das Leben der Menschen und ihrer Tiere geplagt wird. Vor allem aber erlebte ich ein Land mit hoffnungsvollen und widerstandsfähigen Gemeinschaften, mit Menschen, die Visionen und den Willen für eine bessere Zukunft haben. 

Sara Imbach zu Besuch im Cattle Camp.

Text: Sara Imbach, Philipp Hayoz

Fotos: Sara Imbach

Abonnieren sie unseren Newsletter
Erhalten Sie Neuigkeiten zu unseren Aktivitäten, Einblicke in die Projekte, Länder-Updates, interessante Geschichten und vieles mehr... Wir freuen uns auf Sie!
Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen das bestmögliche Nutzungserlebnis zu garantieren.
Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen das bestmögliche Nutzungserlebnis zu garantieren.