Diagramm der klimatischen Phänomene El Niño und La Niña (Quelle: NOAA Climate.gov)
La Niña, das Gegenstück zum Klimaphänomen El Niño, ist charakterisiert durch eine Abkühlung der Oberflächentemperaturen im Pazifischen Ozean sowie durch atmosphärische Druckanomalien. Sie beeinflusst das globale Wettergeschehen erheblich, darunter auch am Horn von Afrika. In dieser Region, in der die Lebensgrundlagen der Menschen stark von Landwirtschaft und Viehzucht abhängig sind, sind die Auswirkungen von la Niña besonders spürbar: Es regnet zu wenig – und führt im schlimmsten Fall zu schweren Dürren und einer Verschärfung bestehender Ernährungskrisen.
Dürreperioden, die auf eine Kombination aus La Niña und anderen klimatischen Einflüssen zurückzuführen sind, haben in der Vergangenheit am Horn von Afrika schwere humanitäre Krisen ausgelöst. 2010 und 2011 bedrohte eine verheerende Dürre über 13 Millionen Menschen in Somalia, Äthiopien, Kenia und Südsudan. Diese Katastrophe führte zu Ernährungsunsicherheit, zur Zerstörung von Ernten, zu massenhaftem Viehsterben und zum Tod von rund 260‘000 Menschen in Somalia, die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. Auch in jüngerer Zeit, zwischen 2020 und 2023, führte eine Dürre, die durch mehrere Klimafaktoren, einschliesslich La Niña, verschärft wurde, zu schwerer Nahrungsmittelknappheit. 23 Millionen Menschen waren davon betroffen. Diese Krise wurde durch eine Heuschreckenplage und massive Fluchtbewegungen aufgrund von Wasser- und Nahrungsmangel noch verschärft. Laut dem Welternährungsprogramm sind rund 9,5 Millionen Tiere aufgrund der Dürre verendet.
Von einer Krise in die nächste
Während die Region darum kämpft, nach der Krise von 2020-2023 wieder Stabilität zu erlangen, bereiten die Aussichten für Ende 2024 und Anfang 2025 Sorgen. La Niña wurde Mitte 2023 von El Niño abgelöst und bereits im April 2024 zeigten sich erste Folgen. Die ausgetrockneten Böden konnten das Wasser nicht aufnehmen und es kam zu Überschwemmungen. Dies war besonders im Südsudan zu beobachten, wo schwere Überschwemmungen seit Mai die Lebensgrundlagen von etwa 735‘000 Menschen zerstört und sie zur Flucht gezwungen haben.
Überschwemmungen im Südsudan
Diese extremen Klimazyklen, die durch den globalen Klimawandel verstärkt werden, beeinträchtigen jedes Jahr die landwirtschaftliche Produktion und die Nahrungsmittelreserven und wirken sich stark auf die Gesundheit und die wirtschaftliche Prosperität aus. Wiederkehrende Dürren behindern zudem die Armutsbekämpfungsbemühungen und setzen die humanitären Systeme der Region unter Druck. Im Jahr 2024 deuten Prognosen darauf hin, dass La Niña mit einer 70% Wahrscheinlichkeit erneut eine Dürre verursachen könnte, wodurch die Ernährungssicherheit in Südäthiopien, Somalia, Kenia und anderen Ländern erneut gefährdet wird.
Balkendiagramm zeigt die steigende Wahrscheinlichkeit von La Niña in den kommenden Monaten (Quelle: NOAA Climate.gov)
Sollte diese Vorhersage zutreffen, könnte die Hauptanbausaison von Oktober bis Dezember – entscheidend für die Ernten im Februar/März – stark beeinträchtigt werden, wodurch Millionen von Menschen akute Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung drohen, wie von der Food Security and Nutrition Working Group hervorgehoben. Ländliche Bevölkerungen, insbesondere nomadische und halbsesshafte Gemeinschaften, werden am stärksten betroffen sein, und Fluchtbewegungen können sich dadurch verstärken, was den Druck auf die ohnehin überlasteten humanitären Systeme weiter erhöhen wird.
Gemeinsam handeln, um Klimarisiken zu bewältigen
Die extremen Zyklen im Zusammenhang mit La Niña erhöhen die wirtschaftliche Unsicherheit am Horn von Afrika, erschweren den Zugang zu Nahrungsmitteln, treiben die Preise in die Höhe und verschärfen die Konflikte um natürliche Ressourcen. La Niña bleibt eine anhaltende Bedrohung für die klimatische Stabilität und die Ernährungssicherheit in Ostafrika. Die Fähigkeit, diese Auswirkungen zu antizipieren und abzumildern, ist entscheidend, um menschliche und wirtschaftliche Verluste zu minimieren. Die Umsetzung von Anpassungsmassnahmen sind erfordert. Wissenschaftliche Fortschritte im Verständnis der ENSO-Phänomene1 (El Niño-Southern Oscillation) haben die Vorhersagefähigkeiten verbessert und Regierungen und NGOs ein Vorbereitungsfenster von ein bis neun Monaten eröffnet. Die richtigen Schlüsse aus vergangenen Dürren zu ziehen, ist entscheidend, da mangelnde Vorbereitung und verspätetes Handeln damals schwerwiegende Folgen hatten. Angesichts möglicher Dürren Ende 2024 und Anfang 2025 ist eine proaktive Planung unerlässlich, um die Auswirkungen zu mildern.
Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse) ist in Ost- und Westafrika aktiv und verfolgt einen agrarökologischen Ansatz, der sich auf die Viehzucht konzentriert, um die Resilienz der Gemeinschaften gegenüber Katastrophen zu stärken. Durch die Förderung der Gesundheit und Produktivität des Viehs tragen wir zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen und zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen bei. Diese Strategie erhöht nicht nur die Ernährungssicherheit, sondern hilft auch, den klimatischen Herausforderungen besser zu begegnen.
- Ein wiederkehrendes klimatisches Phänomen, das mit Temperaturschwankungen in den Gewässern des äquatorialen Pazifiks zusammenhängt, die mit Veränderungen in der Atmosphäre einhergehen und das globale Wettergeschehen beeinflussen. Es gibt drei Phasen: El Niño, La Niña und neutral. (Quelle: World Meteorological Organization) ↩︎